„Das war die größte Überraschung für ganz Österreich“

Goran Stanisavljevic absolvierte von 1991 bis 1999 insgesamt 265 Pflichtspiele für die SV Guntamatic Ried. Der Mittelfeld-Regisseur trug ganz wesentlich zum Bundesliga-Aufstieg 1995 und zum Cup-Sieg 1998 bei. Nach 30 Jahren, in denen der jetzt 59-Jährige fast immer in Ried lebte, ging er 2021 zurück nach Krusevac in seine Heimat Serbien, um sich um seine Eltern zu kümmern.

Goran, wenn du an deine Zeit in Ried zurückdenkst, was sind deine ersten Gedanken?

Es war eine wunderbare Zeit, die ich mit den anderen Fußballern, Betreuern und Fans verbringen durfte. Und ich denke natürlich an die vielen Erfolge, die wir hatten.

 

Was waren für dich die größten Erfolge?

Das waren natürlich der Aufstieg in die Bundesliga und der Cupsieg. Aber auch die internationalen Spiele gegen MTK Budapest und Maccabi Haifa waren großartig.

 

Gibt es ein Spiel, das du ganz besonders in Erinnerung hast?

Das erste Spiel in der Bundesliga gegen Rapid. Das war etwas ganz Besonderes, weil der kleine Dorfklub gegen den großen Verein mit 2:1 gewonnen hat. Das war die größte Überraschung für ganz Österreich. Wir hatten ein volles Haus, eine tolle Stimmung. Das ist das Spiel, an das ich mich am meisten erinnern kann und das einen großen Eindruck bei mir hinterlassen hat.

 

Welches Tor war für dich dein Schönstes?

Jedes Tor ist schön auf eine gewisse Art. Aber natürlich zählt dazu der Elfmeter im Pokalfinale gegen Sturm Graz. Darauf sprechen mich in Ried viele immer wieder an. Als ich Kazimierz Sidorczuk, den Tormann von Sturm, gesehen habe, dachte ich, der ist mindestens 2,15 Meter groß. Wenn ich auf eine Seite schieße und er errät die Ecke, hat er den Ball. Also habe ich den Ball in die Mitte gelupft. Der Tormann ist zur Seite gegangen, ich habe getroffen und damit war alles perfekt.

 

Wie bist du damals nach Ried gekommen?

Das war durch einen Zufall. Die SV Ried ist aufgestiegen in die 2. Bundesliga, hat im Play-off gespielt und war mit fünf Punkten Letzter. Sie haben deshalb einen offensiven Spieler gesucht. Durch einen Bekannten bin ich dann nach Ried gekommen. Ich hatte einige Probetrainings. Trainer Klaus Roitinger hat gesehen, dass ich eine Verstärkung sein kann. Und dann ist es sehr schnell gegangen. In Jugoslawien war damals die Lage sehr schlecht. In Slowenien war der Krieg vorbei, in Kroatien ging er gerade los. Man wusste nicht, wie es in der Liga weitergeht. Viele Spieler in Jugoslawien haben deshalb einen Verein im Ausland gesucht. In Ried konnten wir uns dann Jahr für Jahr steigern. Vier Jahre später waren wir in der Bundesliga.

 

Wie sehr verfolgst du jetzt noch das Geschehen bei der SV Ried?

Ich telefoniere immer wieder mit Klaus Roitinger, Wiggerl Drechsel und Leo Kiesenhofer. Sie berichten mir von Zeit zu Zeit, wie es geht und welche Verstärkungen wir geholt haben. Ich hoffe immer, dass es gut geht und wir in der höchsten Spielklasse bleiben.

 

Wann bist du zurück nach Serbien gegangen?

Ich war bis vor eineinhalb Jahren in Ried. Ich musste eine Entscheidung treffen. Mein Vater war dement, meine Mutter konnte sich nur mehr schlecht bewegen. Ich war der einzige Sohn. Deshalb habe ich mit meiner Frau die Entscheidung getroffen, dass wir nach Serbien gehen und uns um meine Eltern kümmern.

 

Wie schwer ist dir der Abschied gefallen?

Sehr schwer. Aber ich habe keine bessere Lösung gefunden. Ich wollte nicht, dass meine Eltern ins Altersheim kommen. Und ich habe auch niemanden gefunden, der sich um sie kümmern kann, so wie ich als Sohn. Aber es geht gut, ich habe ein Haus gebaut und bin hier so wie in Ried Busfahrer. Ich fahre mit einem kleineren Bus als in Ried. Der Bus hat 18 Sitzplätze. Die Arbeit ist in Ordnung und ist gut bezahlt. Natürlich, was das Wirtschaftliche und andere Sachen betrifft, ist es mit Österreich nicht zu vergleichen.

 

Wie oft kommst du zurück nach Ried?

Mindestens zwei Mal im Jahr. Einmal im Winter und einmal im Sommer. Meine beiden Söhne wohnen noch in Österreich. Der ältere in Lustenau, der jüngere in Ried. Fußball spielt aber keiner von beiden. Jetzt im Sommer dürfte es eine kleine 25-Jahr-Feier zum Cupsieg geben. Ich hoffe, dass möglichst viele kommen. Wir trinken zusammen auf die schöne Zeit und ich freue mich sehr, wenn wir zusammen sind.